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Bildung rauf, Mieten runter. In Darmstadt und überall.

Thema: Kinderarmut effektiv vorbeugen und Bildung fördern

22. August 2017

Der Unterbezirksparteitag möge beschließen:

  1. Bildung muss von Anfang an für alle Kinder und Jugendliche kostenlos sein. Dies bedeutet konkret: Wegfall der KITA Gebühren, individueller Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung, kostenlose Berufsbildungskurse und Meisterprüfungen sowie der Wegfall von Studiengebühren.
  2. Die SPD Bundestagsfraktion setzt sich dafür einzusetzen, dass auch Kinder aus Familien, deren Eltern von Zeitarbeit oder Minijobs oder die ALG I beziehen, Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket (BUT) haben.
  3. Die SPD Bundestagsfraktion wird aufgefordert, das Bildungs- und Teilhabepaket weiterzuentwickeln:
    • Gerechte Teilhabe an Schulmaterialien herstellen;
    • Musische Fähigkeiten fördern;
    • Gesunde Ernährung fördern;
    • Aktive Teilnahme in Sportvereinen fördern;
    • Nachhilfe ausbauen.
  4. Insbesondere sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, damit es berechtigten EmpfängerInnen leichter gemacht wird, das Bildungs- und Teilhabepaket in Anspruch zu nehmen. Der Abbau von Hürden soll u.a. dadurch erreicht werden, indem Bildungsgutscheine auf direktem Weg bereitgestellt werden.

 

Begründung:

Setzt man sich mit dem Thema Kinderarmut auseinander, so ist es zunächst wichtig, sich die aktuelle Lage zu vergegenwärtigen:

Laut der Definition der EU sind diejenigen arm, die über weniger als 60% des mittleren Netto Einkommens verfügen.[1]  In konkreten Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies, dass bspw. eine allein-erziehende Mutter mit zwei Kindern,  deren Netto Einkommen bei 1440€ liegt, unter diese Armutsgrenze fällt. In Deutschland befinden sich  gut 45% dieser Familien in einer solchen Situation.[2]

Wenn man nun bedenkt, dass ein Kind laut Angaben des Statistischen Bundesamtes im Alter von 0 – 6 Jahren ca. 500€ kostet, zwischen 6 – 12 Jahren ca. 583€ und bis zur Volljährigkeit rund 710€ im Monat veranschlagt werden muss, so kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass es für viele Familien, gerade mit mittleren und unteren Einkommen, am Monatsende nicht reicht.[3]

Dazu kommt, dass die Mieten in dem Zeitraum von 2014 – 2016 im Durchschnitt um 8,3% gestiegen sind.[4] Des Weiteren stagnieren auch die Einkommenszuwächse der unteren und mittleren Einkommen. [5]

Um Kinder vor Armut zu schützen, ist es mit einer alleinigen Erhöhung des Kindergeldes um 2 Euro pro Monat sowie der Anpassung des Kinderfreibetrags nicht getan.[6] Leider können auch die zum Teil komplett unterschiedlichen Bildungssysteme In Deutschland keinen umfassenden Schutz garantieren, dass Bildung tatsächlich vor Armut effektiv schützt. Vielmehr gibt es auch genau an diesem Punkt ebenfalls weitreichende Probleme: Bildung ist laut wissenschaftlichen Untersuchungen sowohl der Hans-Böckler-Stiftung[7], der OECD[8], als auch der Bertelsmann Stiftung[9] in Deutschland immer noch stark von der sozialen Herkunft abhängig.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen Kinderarmut und Bildung verheerend:  43% der armutsgefährdeten Kinder sprechen mangelhaftes Deutsch, während Kinder, die in einkommensgesicherten Familien aufwachsen, lediglich zu 14% betroffen sind. Probleme mit der Körperkoordination haben 24,5%, Probleme in naturwissenschaftlichen Fächern rund 28%. „Die Schuleingangsuntersuchungen erkennen bei den Kindern, deren Familien von staatlicher Grundsicherung leben, mehr als doppelt so häufig Defizite in der Entwicklung wie bei Kindern, die in gesicherten Verhältnissen aufwachsen. Zugleich leben sie deutlich zurückgezogener … So erlernen lediglich zwölf Prozent dieser Kinder ein Instrument, bei der Vergleichsgruppe spielen knapp ein Drittel Geige, Klavier oder Gitarre. Vor ihrem dritten Geburtstag gehen 31 Prozent der Kinder aus Hartz-IV-Familien in eine Kita, bei den Übrigen sind es über 47 Prozent“ [10]

Um Kinderarmut aktiv entgegentreten zu können, braucht Deutschland endlich eine echte Chancengleichheit in der Bildung. Und dies von Anfang an!

Da Bildung bekanntermaßen Ländersache ist und es unmöglich erscheint, ein gesamtdeutsches Bildungssystem zu verwirklichen, muss Chancengleichheit in der Bildung auf anderen Wegen hergestellt werden.

Die erste Forderung, welche sich aus der dargestellten Situation ergibt, ist, dass es eine kostenlose Bildung von Anfang an für alle Kinder und Jugendliche geben muss! Dies bedeutet konkret: Wegfall der KITA Gebühren, Rechtsanspruch für eine Ganztagsbetreuung, kostenlose Berufsbildungskurse und Meisterprüfungen von Azubis und Handwerkern sowie der Wegfall von Studiengebühren.

Mit Wohlwollen nimmt der Parteitag der SPD Darmstadt diese Forderungen, die sich im beschlossenen Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wiederfinden, zur Kenntnis.

Teilhabe in der Bildung bedeutet nicht automatisch tatsächliche Chancengleichheit!

Will man also Kinderarmut effektiv bekämpfen, so muss man im wahrsten Sinne klein anfangen:

So scheitert eine erfolgreiche Teilhabe im Bildungssystem häufig an der Ausstattung, an dem Zugang zur gesunden Ernährung oder an der Förderung von sportlichen oder musischen Fähigkeiten. Ein Schritt in die richtige Richtung ist das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung. Jedoch sind die bürokratischen Hürden für die Antragssteller häufig zu hoch.

Des Weiteren haben momentan nur Kinder den Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket, deren Eltern entweder ALG II oder Sozialhilfe beziehen bzw. Wohngeld oder einen Kinderzuschlag bekommen. [11]

Doch nicht nur die genannten Bedarfsgruppen haben heutzutage finanzielle Probleme. Auch Kinder aus Familien, deren Eltern von Zeitarbeit, Minijobs oder dem ALG I leben, erfahren einen Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe und Bildungschancen.

Deswegen fordert der SPD Unterbezirksparteitag den SPD Bundesparteitag und die SPD Bundestagsfraktion auf, das Konzept des Bildungs- und Teilhabepakets weiter zu entwickeln, um auf pragmatischem Weg jedem Kind den Zugang zur kostenlosen Bildung zu ermöglichen!

Dieser pragmatische Ansatz soll beinhalten, dass Kinder von betroffenen Familien Wertgutscheine in den unten aufgezählten Bereichen erhalten, die nur von den Kindern einzulösen sind. Erst durch die eingetauschten Ressourcen mittels dieser Gutscheine, wäre es auch in der Realität gegeben, dass eine echte Teilhabe an der Bildung auch tatsächlich möglich ist. Die Kosten werden komplett vom Bund getragen.

Auch wenn bei den Betroffenen eine gewisse Hemmschwelle beim Einlösen der Gutscheine zu berücksichtigen ist, schmälert es jedoch nicht Wirkung und auch, dass diese sich auf Dauer durchsetzen. (Derzeit besteht die Hürde bereits bei der Antragsstellung.)

Dieser Zugang zu Bildung von Kindern, die vom Armutsrisiko betroffen sind (s.o.), kann nur erreicht werden, wenn folgendes gegeben ist, bzw. in folgenden Bereichen Wertgutscheine bereitgestellt werden:

  • Gerechte Teilhabe an Schulmaterialien herstellen: Kinder benötigen in der Schule allerhand an Materialien: Schulhefte, Stifte, Zirkel, Lineale, Ordner oder Schulranzen (…). Auch wenn man zunächst wohl zu denken vermag, dass diese Ausgaben eher geringfügiger Natur sind, so ist es in der Realität der Fall, dass viele Familien sich dies für ihre Kinder nicht leisten können.

Nach aktuellem Stand, beträgt der Zuschuss in der Regel 100€/ Schuljahr (Besonderheiten bspw. bei Schulanfang)[12]. Dieser Betrag ist jedoch nicht ausreichend und soll deshalb auf 150€ erhöht werden.

  • Musische Fähigkeiten fördern: Die Förderung von musischen können Fähigkeiten zu einer positiven Entwicklung des Kindes beitragen. [13] Aus diesem Grund kann die Förderung von musischen Talenten ein weiterer Mosaikstein sein, um benachteiligte Kinder effektiv fördern zu können. Das aktuelle Bildungs- und Teilhabepaket sieht bisher nur teilweise Kooperation mit musischen Vereinen oder Organisationen vor. Im BUT enthalten ist nur ein Gesamtgutschein in Höhe von 10€ für Musik- und Sportvereine. Jedoch ist es wie o.g. immens wichtig, sämtliche Fähigkeiten der Kinder zu fördern. Deshalb sollen die Kooperationen mit den musischen  Vereinen nun in die Wege geleitet werden.
  • Gesunde Ernährung fördern: Ähnlich wie bei den musischen Fähigkeiten, ist es für die Entwicklung eines Kindes unabdingbar, dass es sich gesund ernährt.[14] So zeigt die Realität deutlich, dass der Verzehr von „Fast Food“[15] und Tiefkühlnahrung stetig zunimmt. Umso wichtiger ist es, Kinder so früh wie möglich, gesunde Ernährung und frisches Obst schmackhaft zu machen bzw. den Umgang damit früh zu fördern. Deshalb sollen auch in diesem Bereich die Gutscheine zum Einsatz kommen.

Einen direkten Bezug zum Thema gesunde Ernährung sowie eine direkte Kooperation mit dem Einzelhandel sowie Krankenkassen sieht das Bildungs- und Teilhabepaket nicht vor. Diese sollen durch diesen Antrag initiiert werden.

  • Aktive Teilnahme in Sportvereinen fördern: Deutsche Kinder ernähren sich nicht nur häufig ungesund, sie treiben auch wesentlich weniger Sport. [16] Dass Sport eine gesunde Entwicklung des Kindes fördert, steht außer Frage.

Des Weiteren geht die Anzahl an Sportvereinen stetig zurück. [17] Wenn nun durch die bundesweit geförderten Gutscheine bspw. Mitgliedsbeiträge oder Sportausstattungen finanziert würden, könnte man den beiden eben dargestellten negativen Entwicklungen aktiv entgegen treten.

Der dafür im Bildungs- und Teilhabepaket bereitgestellte monatliche Betrag von 10€ reicht dabei bei weitem nicht aus.

Der Gutschein muss deshalb zumindest den monatlichen individuellen Vereinsmitgliedsbeitrag abdecken.

  • Nachhilfe ausbauen: Wie oben dargestellt, ist Bildung in Deutschland nach wie vor von der Sozialen Herkunft abhängig. Wenn schulische Leistungen demnach in manchen Bereichen mangelhaft sind, dann ist Nachhilfe häufig ein nützlicher Ausweg. Jedoch ist Nachhilfe sehr teuer und für viele Familien kaum finanzierbar. Deshalb sollen auch hier die Gutscheine für Chancengleichheit sorgen.

Nachhilfe kann unter den aktuellen Voraussetzungen des Bildungs- und Teilhabepakets nur dann bezogen werden, wenn die Klassenlehrer vermuten, dass nicht das „wesentliche Lernziel erreicht“[18] wird. Dies bedeutet, dass von Armut oder Armutsgefährdung betroffene Kinder erst dann gefördert werden, wenn ihre Versetzung akut gefährdet ist. Förderung durch Nachhilfeunterricht muss bereits präventiv einsetzen!

Um dies alles zu erreichen, bzw., um dieses Konzept auch in die Realität umsetzen zu können, müssen die Kommunen vom Bund beauftragt werden, den Kontakt zu örtlichen Anbietern in den o.g. Bereichen herzustellen. D.h., es müssen Kooperationspartner in den Bereichen Büroartikel, Musik, gesunde Ernährung, Sportvereine/ Initiativen und Nachhilfeinstitute gesucht werden, welche die Gutscheine auch annehmen.

Weitere Infos unter: https://aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2015/03/14-kinderarmut.html

 

[1] http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/70186/armut-11-05-2006

[2] http://www.kinder-armut.de/armut/kinderarmut-definition.html

[3] http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/vermoegensfragen/familien-finanzen-kinder-kosten-ein-vermoegen-13718883.html

[4] http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-07/mieten-kaufen-wohnungsmarkt-immobilien-einkommen-wohnungsnot

[5] http://www.tagesspiegel.de/politik/gesellschaftliche-ungleichheit-die-mittleren-und-unteren-einkommen-muessen-jetzt-steigen/14732178.html

[6]http://www.finanzen.de/news/17569/kindergelderhoehung-2017-vom-bundeskabinett-beschlossen-2-euro-mehr

[7] https://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_171.pdf

[8] http://www.keepeek.com/Digital-Asset-Management/oecd/education/bildung-auf-einen-blick-2016_9789264264212-de#page1

[9] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2014/dezember/bildungschancen-stark-abhaengig-von-sozialer-herkunft-und-wohnort/

[10] Vgl.: Thomas Groos und Nora Jehles: Der Einfluss von Armut auf die Entwicklung von Kindern. Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung. Arbeitspapiere wissenschaftliche Begleitforschung „Kein Kind zurücklassen!“ Band 3. Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung, Februar 2015

[11] http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/A857b-bildungspaket-broschuere-s.pdf?__blob=publicationFile

[12] http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhalts/Bildungspaket/leistungen-bildungspaket.html

[13] Sabine Hirler, „Kinder brauchen Musik, Spiel und Tanz: Rhythmik als ganzheitliches Bildungsangebot in der frühkindlichen Erziehung in: Frühe Kindheit – die ersten sechs Jahre 2005, 8. Jg., Heft 4, S. 8-13 (Themenheft „Kinder und Musik“); Hrsg.: Deutsche Liga für das Kind.

[14] https://www.kindergesundheit-info.de/themen/ernaehrung/1-6-jahre/gesunde-kinderernaehrung/

[15] http://eatsmarter.de/ernaehrung/studien/food-deutsche-essen-ungesunder

[16] https://www.welt.de/gesundheit/article114363742/80-Prozent-der-Jugendlichen-sind-Sportmuffel.html

[17] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/215312/umfrage/gesamtmitgliederzahl-deutscher-sportvereine/

[18] http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhalts/Bildungspaket/leistungen-bildungspaket.html