Antragssteller: Ortsverein Mitte
Weiterleitung an den Bezirksparteitag und Landesparteitag
Die Jahreshauptversammlung möge beschließen:
Die SPD Darmstadt spricht sich gegen das „kleine Glücksspiel“ aus. Sie ächtet die Geschäftemacherei mit der Sucht von Menschen, die dadurch in Existenznöte und Elend gedrängt werden. Darüber hinaus fordert sie alle Gliederungen und Ebenen sowie Mandatsträger der Partei auf, die Regularien für den Betrieb dieser „Spielhöllen“ zu verschärfen. Deswegen fordern wir, dass die unten aufgeführten Punkte auf kommunaler und landespolitischer Ebene umgesetzt werden.
1. Kommunalpolitische Maßnahmen
Die SPD-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung sowie die sozialdemokratischen Mitglieder des Magistrats werden gebeten, sich dafür einzusetzen,
- dass keine weiteren Automatencasinos in der Stadt Darmstadt eröffnet werden dürfen. Des Weiteren sollten Spielotheken und andere Glücksspieleinrichtungen an den Randbereich der Stadt verdrängt werden. Deren Anzahl soll in den nächsten Jahren drastisch gesenkt werden.
- dass pathologische Spieler angemessen therapiert werden und die Stadt Darmstadt eine realistische Analyse anfertigt, wie viele Bürgerinnen und Bürger gefährdet sind.
- dass gemeinnützige karikative Einrichtungen wie z.B. das Diakonische Werk Darmstadt bei der Suchthilfe und Präventionsarbeit weiter und noch stärker als bisher unterstützt werden.
2. Landespolitische Maßnahmen
Die Hessische SPD-Landtagsfraktion wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb von sogenannten Spielotheken in folgenden Punkten verschärft werden,
- Einheitliche Ladenschließungszeiten von 8 Stunden (von drei Uhr bis elf Uhr morgens) sollen eingeführt werden.
- Konzessionen sollen künftig nur noch Spielhallen erhalten, deren Standort mindestens 1000 Meter von bereits vorhandenen Hallen entfernt liegt. Der gleiche Mindestabstand gilt in Bezug auf Kinder- und Jugendeinrichtungen. Konzessionen für schon bestehende Spielhallen, die diese Kriterien nicht erfüllen, werden in Folge dessen auslaufen.
- Verbot von Mehrfachkonzessionen – in einem Gebäude oder Gebäudekomplex ist nur eine Spielhalle zulässig. Spielautomaten in Gaststätten und Imbissen sind unzulässig.
- Verköstigungen wie Getränke und Speisen dürfen nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt werden. In Spielhallen soll ein absolutes Rauchverbot gelten.
- Betreiber und Personal müssen in spätestens einem Jahr nach Eröffnung ihrer Spielhalle Schulungen zum Umgang mit Spielsüchtigen nachweisen. Es sollen verbindliche Spielerkarten eingeführt werden. Pathologische oder auffällige Spieler werden mit ihrer Spielerkarte gesperrt.
- Die Hessische Landesregierung wird beauftragt, eine umfassende Studie in Auftrag zu geben, die das gefährdete Personenpotential genau bemisst und eine Relation aufzeigt, die die Einnahmen mit den Folgeschäden gegen rechnet.
- Rückbau der Automaten auf reine Unterhaltungsgeräte ohne Glücksspielcharakter. Gewinn- und Verlustmöglichkeiten sollen so reduziert und angepasst werden, dass die Unterhaltung im Vordergrund steht.
Begründung :
Das „kleine Glücksspiel“ bzw. die Automatencasinos in Darmstadt sind wie dicke Pilze aus dem Boden geschossen. Dies gilt nicht nur für Darmstadt, sondern für das ganze Bundesgebiet. Allein in Hessen betrug der Einwohnerdurchschnitt pro Spielhalle im Jahre 2006 bei 10.000. Vermutlich ist diese Zahl schon längst überholt, da immer mehr Automaten aufgestellt werden. Der Marktanteil im gesamten Glücksspielbereich und die dort erwirtschafteten Umsätze steigen stetig an. Auch der Staat verdient sich an dieser Industrie eine goldene Nase. Wobei der Staat hierbei an kranken Menschen sein Geld verdient. Eine Untersuchung des Instituts für Drogenforschung in Bremen hat ergeben, dass 40 Prozent aller für Spielautomaten getätigten Geldeinsätze von Personen, die ein pathologisches Spielverhalten aufweisen, getätigt werden.
In Hessen gibt es bis zu 30.000 Menschen gefährdete, pathologische Spieler, schätzt die Hessische Landesstelle für Suchtfragen. Davon betroffen meist junge Männer, die aus prekären Arbeitsverhältnissen stammen oder gar keine Arbeit haben. Die Folgeschäden für die Betroffenen sind meist enorm, da sie meist in Verschuldung, Belastung der Angehörigen oder sogar in Kriminalität münden. Dadurch entstehen enorme Kosten für die öffentliche Hand: in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung, der Gesundheits- und Therapieausgaben und in der Bekämpfung und Aufarbeitung der Beschaffungskriminalität. Studien zeigen, dass von 100 Spielsüchtigen 85 verschuldet sind. Diese Menschen verdienen durchschnittlich 1.396 Euro im Monat und stehen mit im Schnitt 44.834 Euro in der Kreide – und der Bankensektor verdient durch die Verschuldung dieser Menschen. In 22 von 100 Fällen ist der Jobverlust die Folge, in 17 von 100 Fällen rutschen die Betroffenen in die Beschaffungskriminalität. Partnerinnen von spielsüchtigen Männern haben – wie eine Studie der Medizinischen Universität Wien zeigt – ein 10,5-mal höheres Risiko, Opfer häuslicher Gewalt zu werden als der Durchschnitt. Im Schnitt dauert es übrigens 8,3 Jahre, bis ein/e SpielerIn wieder „clean“ ist. Die Probleme sind weitestgehend bekannt und trotzdem gibt es keine ausreichenden Anlaufstellen für Spielsüchtige. Nur sieben von 79 Suchtberatungsstellen in Hessen bieten spezielle Beratungsangebote. Meist fehlt es an qualifiziertem Personal, ein wissenschaftlich begründetes Behandlungskonzept und vor allem an Geld.
Spielsucht zerstört Mensch und das Leben von Familien. Es ist nicht weiter hinzunehmen, dass Unternehmen sich wie Krebsgeschwüre ausbreiten, deren Geschäftsmodell zu einem Großteil auf der Ausnutzung Abhängiger basiert. Die Sozialdemokratie muss sich diesem Problem verstärkt widmen, da die Leidtragenden meist dem sogenannten Prekariat (vormals Proletariat) angehört, ergo der klassischen Klientel unserer Partei.